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#2 Was ist Geld?

Stellt Euch vor, es gäbe kein Geld.




Stellt Euch vor, es gäbe kein Geld. Alle Transaktionen, ob nun geschäftlich oder privat, müssten durch Tauschhandel vorgenommen werden. Wer zum Beispiel Bäcker ist, der kann seine Rechnungen noch vergleichsweise einfach mit Brot und Brötchen begleichen. Wenn man aber in einer Reifenfabrik arbeitet oder Lehrer ist, was dann? Schnell merkt man, wie unpraktisch dieses System wäre. Aus diesem Grund ist der Mensch auf die Idee gekommen, ein universell akzeptiertes Tauschmittel zu schaffen, um Transaktionen einfach abwickeln zu können.

Bis vor nicht allzu langer Zeit nutzten wir Menschen Gold, Silber und vielleicht noch Kupfer als Zahlungsmittel. Diese Metalle hatten den Vorteil, dass sie sich nicht beliebig vermehren ließen und somit relativ fälschungssicher waren. Ihre Knappheit verlieh ihnen Stabilität und schaffte Vertrauen. Heutzutage besteht Geld aus Papier oder Computercode und wird von Zentralbanken kontrolliert. Zunehmend existiert es nur noch elektronisch, als virtuelle Zahl auf dem Konto. Man bekommt sein Gehalt und zahlt seine Rechnungen, ohne das Geld je wirklich in der Hand zu haben. Das funktioniert auch wunderbar – nie war es einfacher, Geld von A nach B zu senden, und beim Einkaufen tippt man einmal mit der Karte gegen das Lesegerät und das wars. Dies lässt sich durchaus als Errungenschaft bezeichnen, auch wenn unser heutiges Geld im Grunde nicht mehr viel mit den Kupfer- und Silbermünzen früherer Zeiten zu tun hat.


Grundsätzlich sollte Geld folgende drei Eigenschaften haben:

1. Geeignetes Tausch- und Zahlungsmittel

2. Rechen- und Maßeinheit

3. Wertaufbewahrungsmittel


Die ersten beiden Eigenschaften erfüllt unser heutiges Geld, es funktioniert wunderbar als Zahlungsmittel und ist auch eine geeignet Recheneinheit. Es hilft uns, Dinge zu einzuordnen: „Dieses Auto ist mir 10.000 Euro / Franken / Kronen wert.“.

Nur die letzte Funktion erfüllt unser heutiges Geld nicht mehr. Bis in die 70´iger Jahre war Geld oft noch gegen physisches Gold bei der Zentralbank eintauschbar, was ihm einen realen Gegenwert verlieh und verhinderte, dass es beliebig vermehrt werden konnte.


Heutzutage ist dem nicht mehr so, unser Geld ist nicht mehr in einem festen Verhältnis gegen Gold einzutauschen und lässt sich von den Zentralbanken und damit von den Regierungen nach Belieben vermehren.

Auch gab es früher mit dem Sparbuch oder der Bundesanleihe eine tatsächlich sichere Anlagemöglichkeit für Sparer mit positiver Realverzinsung (Zinsen nach Abzug der Inflation). Heute gibt es entweder 0 % oder sogar schon Negativzinsen auf dem Konto. Gleichzeitig wird vieles teuer, Immobilien, Strom, Versicherungen (ich erachte hierbei die offizielle Teuerungsrate als wenig repräsentativ für Menschen, die in einer Großstadt leben). In anderen Worten, Geld auf dem Konto verliert konstant an Wert – jedes Jahr ein paar Prozent. Das hört sich erst einmal nicht nach viel an, summiert sich aber über ein paar Jahre sehr schnell.


Hier ein Beispiel: Nehmen wir an, die Verzinsung auf dem Sparkonto oder bei einer 10-jährigen deutschen Staatsanleihe liegt bei -0,4 % im Jahr. Gehen wir zudem davon aus, dass ein repräsentativer Warenkorb für einen jungen Menschen in der Stadt im Schnitt um 2 % im Jahr teurer wird. Der reale Kaufkraftverlust beläuft sich somit auf 2,4 % im Jahr. Wie hoch ist dieser nach 5 Jahren? 11 %. Nach 10 Jahren beläuft sich der Verlust auf 22 %. Das klassische „sichere sparen“ unserer Eltern und Großeltern ist also das Gegenteil von sicher – es ist ein vorprogrammierter Verlust.


Warum ist dies so? Der Hintergrund liegt in unserem Wirtschaftssystem und in der Rolle der Zentralbanken. Diese haben als Reaktion auf die Finanzkrise 2008/09 und die Eurokrise 2011 die Zinsen gesenkt und in großem Ausmaß neues Geld geschaffen, um Vermögenswerte aufzukaufen. Warum hört man nichts mehr von einem drohenden Staatsbankrott Griechenlands? In jedem Fall nicht deshalb, weil die Schulden des Landes weniger geworden sind. Vielmehr liegt der Grund darin, dass die Zinsen günstig sind – und weil die Europäische Zentralbank neues Geld schafft, um Staatsschulden aufzukaufen. Warum sind die Immobilienpreise so stark gestiegen? Weil die Zentralbanken die Finanzierungskosten so stark gedrückt und gleichzeitig einen Anlagenotstand herbeigeführt haben.


Diese Politik belohnt Schuldner, wie z.B. Staaten und Unternehmen, und bestraft Sparer!

Diese Geldpolitik ist auch zu einem erheblichen Maße für die aus der Balance geratene Vermögensverteilung verantwortlich.


Nun kam das Corona-Virus und hat dazu geführt, dass die Zentralbanken ihre finanziellen Repressionsmaßnahmen in einem beispiellosen Maße ausgeweitet haben. Um die ganzen neuen Staatsschulden zu finanzieren und das Finanzsystem über Wasser zu halten, drucken sie jeden Tag gigantisch viel neues Geld. Ob dies in der aktuellen Situation tatsächlich notwendig ist, mag ich nicht beurteilen – ich weiß nur, dass es ein historisches Ereignis ist. Unser Geld ist dabei, sich grundliegend zu verändern.


Die Implikationen sind schwer absehbar. Es kann sein, dass wir irgendwann eine beschleunigte Inflation sehen werden. Es kann sein, dass Regierungen versuchen werden, Bargeld zu verbieten, um mehr Kontrolle über das Geld der Bürger zu haben und Negativzinsen durchzusetzen. Für jeden Einzelnen bedeutet es, dass man seine Wahrnehmung von Geld und „sicheren Anlagen“ überdenken muss. Für den Vermögensaufbau bzw. den Vermögenserhalt muss man sich in dieser neuen Welt mit anderen Anlagen wie der eigenen Immobilie, Aktien, Gold und vielleicht Kryptowährungen beschäftigen – und lernen, mit deren Wertschwankungen umzugehen. Wir befinden uns in einem neuen Zeitalter, und es ist wichtig, sich dem nicht zu verschließen. Wie unter der Rubrik „Wichtigste Konzepte“ erklärt, sollte man immer ein Notfallkonto mit mindesten einem Monatsgehalt haben. Für den Vermögensaufbau und die Altersvorsorge sind das Konto, der Bausparvertrag und die Lebensversicherung hingegen nicht mehr geeignet. Hierfür sollte man (ebenfalls wie unter „Wichtigste Konzepte“ erklärt), Aktien-ETFs ansparen und sich irgendwann eine eigene Immobilie kaufen. Auch andere nicht beliebig vermehrbare Anlagegegenstände wie Gold und Bitcoin können für den Vermögensaufbau gespart werden. Diese sollten jedoch nur eine Beimischung sein, während der Fokus auf dem MSCI World ETF und der Immobilie liegen sollte.


Es ist eine neue – herausfordernde Zeit, in der wir leben. Vieles ist im Wandel, auch unser Geld. Dennoch: Der Weg zu größerer finanzieller Unabhängigkeit ist weiterhin für jeden offen – wir müssen uns nur bewusst sein, dass Geld heute nicht mehr das ist, was es früher einmal war.

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